2006

27. April–7. Mai 2006

Freie Radikale

Macht aua jetzt auf Biochemie und stürzt sich auf das Gesund­heitsproblem Nr.1: freie Radikale? Diese aggressiven, instabi­len Reaktionsprodukte, die schuld an allem und jedem sind, was uns altern macht? Britische Forscher haben da genau wie wir berechtigte Zweifel, was Ursache, was Wirkung ist. Sie fra­gen lieber Ihren Apotheker? Gut so, denn es erwarten Sie kei­ne Lektionen über Zellbiologie und wie man sich mit Fitness und anti-aging gegen den körperlichen Zerfallsprozess wapp­net. Obst und Gemüse haben wir nicht im Programm. Wenn schon, dann kriegen Sie es bei uns mit akuten gesellschaftli­chen Prozessen zu tun. Diese frei und radikal zu verhandeln, war schon immer Sache des Theaters: der Mikrokosmos, dem keine Geschichte zu gross oder zu klein ist. Im ganz konkreten Fall die Geschichte vom Absterben des gesellschaftlichen Mit­einanders. Gesellschaft ist passé. Sie gibt nichts mehr her. Wa­rum sich noch gesellschaftlich verhalten? Die freie Radikalität grassiert, Prototypen unterschiedlichster Couleur sind am Werk: gleichgültig, aggressiv, selbstherrlich, subversiv oder einfach notgedrungen. Ihr Auftreten undercover unauffällig bis offensiv explosiv. Unbestritten das mächtigste freie Radikal ist der Markt, foutiert sich um sämtliche gesellschaftliche Bin­dungen, gönnt sich keine Pause und spielt weltweit erfolgreich systemsprengend. Kreiert quasi als Nebenprodukt Unmassen von freien Radikalen, wenigstens potentiell. Die Reaktion auf die Freisetzung bleibt individuell dem Single-Radikal überlas­sen. Fühlt es sich verletzt und versetzt aus allen Verabredun­gen, nimmt seine Bestimmung selbst in die Hand und schafft Ordnung und Chaos im Chaos? Die Skala der Reaktionen ist ungeheuerlich, nichts ist ungeheurer als der Mensch, wusste schon Hölderlin, als er «Antigone» übersetzte, doppeldeutig zwischen Faszination und Schrecken.

Auawirleben besetzt 11 Tage lang Berns Theater, 10 Produk­tionen aus Deutschland, Belgien und der Schweiz spielen ra­dikal frei mit der ganzen Ambivalenz des gesellschaftlichen Singulars. Wir freuen uns auf Sie, unser Publikum, im Plural!

Programm

  • Barbara Weber & Co., Jacko unplugged / RAF unplugged
    R: Barbara Weber

  • Mass & Fieber, Zürich
    Houdini oder die innere Sicherheit
    R: Niklaus Helbling

  • Victoria, Gent (B)
    Aalst, a true Story
    R: Pol Heyvaert

  • Maxim Gorki Theater Berlin & Theater Basel
    Der Kick
    Von Andreas Veiel und Gesine Schmidt

  • Theater an der Winkelwiese Zürich
    Meeresrand
    Textfassung und Regie: Kristina Brons

  • Kohlhaasgruppe & sophiensäle Berlin
    Kohlhaaskomplex / 04
    R: Ulf Otto

  • Theaterhaus Jena, sophiensäle Berlin, Staatstheater Stuttgart und auawirleben
    Fernwärme
    Von Reto Finger
    R: Leyla Rabih

  • Diplominszenierung HKB - Theater, Bern
    Trilogie des Wiedersehens
    Von Botho Strauss
    R: Till Kretzschmar

  • Stadttheater Bern
    Im Inneren Ausland
    Von Christoph Frick und Suzanne Zahnd
    R: Christoph Frick

  • schauspielfrankfurt
    Das Eis
    Nach dem Roman „Ljod“ von Vladimir Sorokin
    R: Alvis Hermanis

  • Rahmenprogramm „bern radikal“, kuratiert von Nicolette Kretz, mit:
    Susi Stühlinger & Frank Gerber
    Nicolette Kretz & Olifr Maurmann
    GUZ & seine Lieblingsgitarre
    Gabriel Vetter & Dänu Boemle
    Bettina Gugger & Julian Sartorius
    Stauffer & Kuratli
    LDeep & ihre Lieblingsbeats
    Fitzgerald & Rimini
    Tom Combo

Auawirleben 2006