NO99 (Tallinn)

GEP ehk GARJATIJE ESTONSKIJE PARNI

HEM oder Heisse estnische Männer

Die estnische Kultur wird verschwinden. Die estnische Sprache wird verschwinden. Estnische Geschichte ? weg. Unsere Grossväter und Ur-grossväter, die wie Helden im Unabhängigkeitskrieg gekämpft haben, all ihre Schlachten werden lächerlich. Der ganze Sinn, den wir haben oder je hatten, wird verschwunden sein.

Die Prognose ist düster: die Esten werden nächstens aussterben. Beim europaweiten Sinken der Geburtenrate drängt Estland an die Spitze. So alt werden wie Methusalem, aber keinen Nachwuchs in die Welt setzen. Weder Mutterschaftsgeld noch «Herdprämie» (Unwort des Jahres 2007!) liessen die Geburtenrate nach oben kurven. In HEM ergreift eine Gruppe junger Männer eine effektivere Handlungsstrategie, die zwar moralisch inakzeptabel, ethisch zweifelhaft, aber die einzige Möglichkeit ist, die Esten zu retten: Kinder zeugen! Scharenweise! Jetzt oder nie! Und so schreiten sie zur polygamen Tat. Doch wie geht man die Gebärkampagne an? Wie kriegt man die Frauen (klug & kinderlos) dazu? Wie schafft man sich die physischen Voraussetzungen für einen solchen Kraftakt? Und wie managt man seine vielen Familien logistisch, finanziell und emotional? Wie reagiert einer, dem man eröffnet: Deine Frau ist schwanger. Von mir.? Und was ist das überhaupt, was man da retten will? Das fragen sich die elf Männer und Frauen in traditionellen estnischen Trachten. Und spielen, singen, tanzen mit beissender Ironie das Kinderkriegen-Experiment konsequent durch bis zum wunderbar poetischen Ende.

NO99, das junge Ensemble um Tiit Ojasoo, war bei AUA 07 mit seiner rasanten Öl-Groteske „Nafta!“ noch fast ein Geheimtipp ausserhalb von Estland. Inzwischen tourte die Truppe mit „Nafta!“ von Einladung zu Einladung, nach Hamburg, Berlin, Moskau. Mit HEM sind sie zu den Wiener Festwochen 08 eingeladen, in Estland gewannen sie am Theaterfestival DRAAMA in Tartu den Hauptpreis sowie den Preis für das beste Ensemble, am Baltic Theatre Autum in Litauen ebenfalls den Hauptpreis, den Preis für den besten Darsteller (Jaak Prints) und das beste Bühnenbild. Die estnische Kritikerumfrage der Zeitschrift Teater Muusika Kino kürte HEM zur Produktion des Jahres 2007.

NO99 zählen ihre Produktionen von 99 runter durch. Wenn sie bei 0 angelangt sind, hören sie auf. Da kann man froh sein, dass sie mit HEM erst bei NO88 sind! Juchuija!

Konzept & Regie: Tiit Ojasoo
Text: Tiit Ojasso, Ene-Liis Semper, Eero Epner & Ensemble
Spiel: Rasmus Kaljujärv, Sergo Vares, Gert Raudsep, Elina Reinold, Inga Salurand, Jaak Prints, Mirtel Pohla, Kristjan Sarv, Andres Mähar, Risto Kübar and Tambet Tuisk
Bühne & Kostüme: Ene-Liis Semper
Dramaturgie: Eero Epner

SCHLACHTHAUS THEATER
SO 27.4. | 19:30
MO 28.4. | 19:30 | anschliessend Publikumsgespräch

Sprache: Estnisch mit deutscher Simultanübersetzung

Spieldauer: 2h 50min inkl. 1 Pause