Ballhaus Naunynstrasse (Berlin)
Telemachos – Should I stay or should I go?
«Soll ich gehen oder bleiben?», das hat der Ko- Regisseur und Akteur Prodromos Tsinikoris Passanten in Berlin und in Athen gefragt. Bei dem Deutschgriechen oder Griechendeutschen ist die Frage ganz schön komplex: Er wuchs als Kind von Gastarbeitern in Wuppertal auf, besuchte dort die griechische Schule und wurde fürs Studium von seinen Eltern ‹zurück› nach Griechenland geschickt. Dort lebt er den unerfüllten Traum seiner Eltern zurückzukehren, «aber die verdammte Krise hat alles durcheinandergebracht».
Das Land im Stich lassen und dem eigenen Glück folgen? Darf man das? Oder muss man das sogar? Mit derselben Frage beschäftigen sich seine fünf griechischen Mitspieler_innen zweier Generationen. Da ist Christos, der erst in Bruchsal, dann in Berlin den Bilderbuchgriechen abgab: Er kochte den Deutschen Mousakas und Souvlaki, verkaufte seine Kneipen immer grade im richtigen Moment und machte das grosse Geld – das er gleich wieder verspielte. Oder da ist der junge Schauspieler Kostis, dessen Vater, verzweifelnd am Krisenpech, auf afrikanische E-Mail-Fallen hereinfiel und seinem Sohn einen Schuldenberg vererbte: «Ein ganzes Land geht unter, und er war eines der ersten Opfer.»
Und da ist der Deutsche, Knut der – die nationale Erbschuld immer noch im Nacken – helfen will und mit einer gewagt verkürzten Zusammenfassung der «Dialektik der Aufklärung» zwar keine Lösung liefert, aber zumindest eine Richtung anzeigt.
Das Stück kommt zur richtigen Zeit. Der Medienwirbel um den griechischen Staatsbankrott ist abgeflaut, die Revoluzzer-Fotos vom Syntagma-Platz vergilben an den Facebook-Pinnwänden. Aber die Wut der Menschen, die mit leeren Taschen dastehen und das Versagen eines korrupten Systems ausbaden sollen, ist längst nicht verraucht.
Tagesspiegel
Anestis Azas wurde 1978 in Thessaloniki geboren, Prodromos Tsinikoris 1981 in Wuppertal. Beide studierten an der Aristoteles Universität in Thessaloniki Theater und arbeiteten unter anderem für Dimiter Gotscheff und Rimini Protokoll in Griechenland. Zusammen führten sie Regie bei mehreren dokumentarischen Inszenierungen, z. B. über den Abbau der griechischen Eisenbahn. TELEMACHOS wurde 2013 zum Heidelberger Stückemarkt eingeladen sowie zum 8. Festival Premières / Junge Europäische Regisseure, Karlsruhe.
Mit Knut Berger, Despina Bibika, Kostis Kallivretakis, Chryssi Kyriakidou, Christos Sarafianos, Prodromos Tsinikoris, Giannis Tsoukalas Regie Anestis Azas, Prodromos Tsinikoris Bühne, Kostüme Lena Fay, Angela Konti | Licht: Eliza Alexandropoulou Dramaturgie Jens Hillje, Irina Szodruch Soundtrack Giannis Tsoukalas Video Benjamin Krieg, Hanna Slak, Guillaume Cailleau Initiiert von Shermin Langhoff Produktionsleitung Jana Penz Regieassistenz, Soufflage Maritina Buntspecht Übertitel Marold Langer-Philippsen Übersetzungen Orsalia Partheni, Corinne Hundleby, Anne Claire Duperrier Kamera Athen Nikos Pastras Ton Athen Eleni Stroulia Kamera Thessaloniki Oliwia Twardowska Ton Thessaloniki Alexis Raptis Produktionsleitung Athen Alexandros Vrettos
Produktion Kultursprünge im Ballhaus Naunynstrasse gemeinnützige GmbH und Projektor Koproduktion Onassis Cultural Center Athen Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes, Goethe Institut Athen
Sprache Deutsch & Griechisch mit deutschen und griechischen Übertiteln
Spieldauer 1h 40min
Shuttle-Bus ins Festivalzentrum: 7.5. 21:50 | 8.5. 21:50 und 22:50