Theater Freiburg (D)

Bagdad brennt

nach einem Blog von Riverbend. Übersetzt und adaptiert von John und Peter van Düffel

Es gab im Irak über 500 verschiedene Sorten von Palmen, angefangen von kurzen, gedrungenen Bäumen mit einem Schopf von planlosen grünen Wedeln, bis hin zu hochgewachsenen, schlanken Palmen mit Blätterkronen, die in ihrer Perfektion fast symmetrisch schienen. Palmbäume wurden oft neben Zitrusplantagen gepflanzt. Diese Zitrusfruchtgärten waren wie Oasen in der Wüste. Kilometerweit sah man das lebhafte Grün der stolzen Dattelpalmen, die in den wolkenlosen Himmel reichten und in den Hitzewellen, den Luft- und Lichtspiegelungen schimmerten. Sie symbolisierten die rauhe, stoische Schönheit des Landes und seiner Bewohner ? ein Zeichen dafür, daß es Hoffnung auf Leben und Fruchtbarkeit gab, wie schwierig die Umstände auch sein mochten. Die Palmen um die Plantagen standen seit jeher erhaben und entschlossen da ? ohne die Hitze, den politischen Streit und den Krieg zu beachten… bis heute. Nach der Besetzung wurden sämtliche Palmen von den Truppen gefällt. Wir wollen fünf tote Soldaten für jeden Baum, den sie abgeschlagen haben… fünf tote Soldaten.

Wir kennen den Irakkrieg aus westlicher Sicht. Er war embedded in unseren Wohnzimmern auf eine Distanz vom Sofa zum Fernsehschirm. Wir waren beteiligt an den Bildern, nie zuvor waren wir so nah dran, und doch bleiben es ferne Bilder und der Irak bleibt uns fern. Das online Tagebuch «Baghdad Burning» lässt Bilder entstehen, die anders wirken, aufgenommen aus der Perspektive des Kriegsalltags einer jungen Irakerin. Unter dem Pseudonym «Riverbend» stellt sie seit dem 17. August 2003 ihre Realität des Krieges in einen Weblog, sehr persönlich, sehr präzise, sehr konkret emotional. Wie sie den «Befreiungskrieg» real als Okkupation erfährt, Sicherheitsvorkehrungen als entwürdigende Razzien und antiterroristische Massnahmen als blanken Terror. Dass eine Autobombe in den Nachrichten etwas völlig anderes ist, als draussen auf der Strasse zu stehen, den Verkehr zu sehen und sich bei jedem Auto zu fragen, ob es sich nicht im nächsten Moment in einen tödlichen Ball von Flammen und Schrapnells verwandelt. Einen Kontrollpunkt auf Al-Dschasira, CNN oder BBC zu sehen, ist etwas völlig anderes, als voller Beklemmungen auf einen zuzufahren, langsam anzuhalten und zu beten, dass der Soldat auf der anderen Seite nicht findet, du siehst verdächtig aus… oder aus Versehen den Finger am Abzug krümmt. Es ist etwas völlig anderes.

April 2007 kündigt Riverbend an, mit ihrer Familie den Irak verlassen zu wollen wegen fortwährender ethnischer Gewalttätigkeiten in ihrer Heimat. Am 22. Oktober teilt sie mit, dass sie Syrien sicher erreicht hat. Seither gibt es keine neuen Einträge.

Mit: Anna Böger, Victor Morales | Inszenierung: Enrico Stolzenburg | Programmierung & Design Video-game: Victor Morales | Dramaturgie: Carolin Hochleichter 

Koproduktion: AUAWIRLEBEN

SCHLACHTHAUS THEATER
SO 26.4. | 20:30 anschl. Publikumsgespräch
MO 27.4. | 20:30