Gorki Theater (Berlin)

Heaven (zu tristan)

Von Fritz Kater.

Wolfen, Ostdeutschland, nahe Bitterfeld, Nachwendestadt, einstürzende Plattenbauten und leerstehende Wohnblocks, weggebrochene Arbeit. Erst geht die Filmfabrik mit dem selbstbewussten Namen «Orwo» (was «original Wolfen» bedeutet) in Konkurs, dann macht das Krankenhaus dicht. Lebt hier noch wer? Ja, Simone, dicht am Suizid. Wegen Anders, der die Architektur mehr liebt als Simone und ab nach Amerika ist, die Utopie suchen: ist es überhaupt noch nötig feste städte zu bauen / wären temporäre behausungen nicht viel zeitgemäßer. Oder Robert, passionierter Existenzgründer auf Leergutbasis: Pfandflaschen als plastikglänzende Zukunftsillusion. Auch Helga und ihr Mann, der Psychiater Königsforst, leben noch hier, sie ziehen nur gerade aus ihrer alten Platte aus. Auch aus ihrem Leben, weggeschrumpft wie die Heimat und die Liebe, würden sie wegziehen, mit Schlaftabletten. Wenn sie den Mut dazu hätten. Dafür spiegelt sich Helga, die abgewickelte Fotolaborantin, gerne in anderen Verlierern. In Marietta Blau etwa, Pionierin der Teilchenphysik, deren Karriere die Vertreibung durch die Nazis beendete. Und Robert hofft, dass die Weinstöcke in der leeren Kiesgrube gedeihen, mit denen er in Wolfen sein Glück und Kohle ohne Endemachen will. 

Wo Menschen Abfall werden und Welt verschwindet, hat Kater ein ganz großes Herz. In diesem Punkt, in der Spannung zwischen Verzweiflung und Zartheit, zwischen Aussichtslosigkeit und Selbsterfindung, in der Ernsthaftigkeit, mit der Kater sich dem Kitsch verlorener Seelen widmet, tritt er in die Fußstapfen eines großen Vorbilds. Heinrich von Kleist ist auch der Klassiker, den der Regisseur Armin Petras, das Regie-Ich von Fritz Kater (oder war es umgekehrt?), am liebsten inszeniert. In seine Hände hat Kater das Stück zur Uraufführung denn auch gegeben, der wiederum hat das Vertrauen voll gerechtfertigt. Ein locker aus dem Handgelenk gespielter Theaterblues ist es, den Petras und die grandiosen Schauspieler auf die Bühne legen. Todtraurig und herzzerreißend lustig, lässig und charmant. Für diese Aufführung würden sich so viele schöne Adjektive finden lassen, dass es lohnend sein müsste, den Zuschauer eine Adjektiv-Wand zum Vollschreiben ins Foyer zu stellen.(Frankfurter Rundschau)

Armin Petras Inszenierung von HEAVEN (zu tristan) wurde mit dem Friedrich-Luft-Preis ausgezeichnet, sein Alter Ego Fritz Kater erhielt für sein Gesamtwerk den Else-Lasker-Schüler-Preis. 

Mit: Susanne Böwe, Fritzi Haberlandt, Yvon Jansen, Ronald Kukulies, Peter Kurth, Anika Baumann, Max Simonischek | Inszenierung: Armin Petras | Bühne und Kostüme: Patricia Talacko | Musik: Ingo Günther | Video: Niklas Ritter | Dramaturgie: Andrea Koschwitz

Koproduktion: schauspielfrankfurt

DAMPFZENTRALE Turbinensaal
SA 2.5. | 19:00
SO 3.5. | 19:00 anschl. Publikumsgespräch

Spieldauer: 3h inkl. 1 Pause