schützwolff (Basel / Biel)

MEMORY LOST

Eine Explosionszeichnung

SIE: Was soll ich sagen? Ich war überzeugt, dass wir durch göttliche Vorsehung für einander bestimmt waren. Und wie ich mich kannte, konnte das nur bedeuten, dass er ein grauenhafter Serienmörder war oder schwer abhängig von Drogen oder Nachmittagstalkshows, also versuchte ich ihm ungefähr so nahe zu kommen wie einem Säurebad. Wo auch immer er sich im Raum hinstellte, ich nahm die am weitesten entfernte Ecke.

ER: Es war etwas anderes, folgerte ich, wovon sie sich angezogen fühlte. Etwas Geistig-Seelisches in mir. Mein wahres Ich. Da ich keine Ahnung hatte, wer diese Person war, und wie immer das Gefühl hatte, jedermann sein zu können, gab die Möglichkeit, dass irgendwo tief in mir das unverdorbene, das wahre Ich existierte und dass sie es sah, mir die Hoffnung, dass mit der Zeit vielleicht auch ich selbst es erkennen würde. 

Ein Mann. Eine Frau. Suchen offensiv sich im Anderen, beide wissen, es ist ein Versuch und der ist es wert! Jeder von ihnen bringt eine eigene Vergangenheit mit, eigene Erinnerungen und Geheimnisse. Und jeder gemeinsam gelebte Moment lebt nach in der subjektiven Erinnerung der beiden, führt dort sein Eigenleben aus Wirklichkeit, Wahrnehmung und Wunsch. «Ich versteh dich!» als Beschwörungsformel für gemeinsam Erlebtes, gegen nicht-identische Erinnerungen und die eigene ins Rotieren geratende Wahrnehmung. «Ich würde dich sehr gerne verstehen» im tragisch-komischen Konjunktiv, um weder den Anderen noch seine Erinnerungen zu verlieren.

In MEMORY LOST lassen schützwolff ihrer Leidenschaft für eine halsbrecherische und musikalische Erzähldynamik freien Lauf. Sie kommt dem euphorisierenden Thrill des Denkens nahe. Die Logik des Abends ist verwandt mit den Suchprozessen in unseren Gehirnen, wenn Erinnerung abgerufen werden will. Unzuverlässig und fragil, vage und gestochen scharf wie Filmsequenzen. 
Wir kombinieren verschiedene Lebensgeschichten und charakterliche Aspekte. Und wir erzählen auf verschiedenen Ebenen, theatralisch und musikalisch, verschachtelt, geschichtet und nicht chronologisch geordnet. Die ersten Momente nach einem Bildriss, die plötzliche Verzweiflung zwischen Verlieren und Wiederfinden des verlorenen Fadens. Die wache Leichtigkeit, die man in dem Moment plötzlich verspürt, wo man merkt, dass man etwas ganz falsch verstanden hat, weil es ja offensichtlich vollkommen anders ist.

Mit: Graham F. Valentine, Julia Schmidt, Martin Schütz, Beni Weber | Konzept, Dramaturgie, Inszenierung: Markus Wolff, Martin Schütz | Musik: Martin Schütz | Video: Max Philipp Schmid | Bühne, Licht: Guillaume Cousin | Kostüme: Božena Civic | Dramaturgische Mitarbeit: Suzanne Zahnd

Koproduktion: Kaserne Basel, AUAWIRLEBEN, Theater Chur 
(UA Basel 12.5.2010)

TOJO THEATER REITSCHULE
DI 18.5. | 20:00
MI 19.5. | 20:00 anschliessend Publikumsgespräch

Spieldauer: ca. 1h 30min
Eintritt: 25.–/20.–

www. memorylost.ch