2014
7.–18. Mai 2014
Von öffentlichem Interesse
Kaum zu glauben, dass Edward Snowdens Whistleblow noch nicht einmal ein Jahr her ist. Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir das Meiste davon eigentlich schon vor Snowden wussten. Der Held der Datenfreiheit hat bloss die Beweise dafür geliefert, dass die systematisch gesammelten Daten von Google, Facebook, Amazon und tausenden weiteren Apps und Webseiten ungefiltert, ungefragt und unbegründet an die US-amerikanische Regierung gehen. Das Magazin «Wired» berichtete schon ein Jahr davor vom Bau des Utah Data Centers (mit vollem Namen: Intelligence Community Comprehensive National Cybersecurity Initiative Data Center), wo die NSA grosse Teile der gesamten Internetkommunikation speichern will und aufwendige Verschlüsselungsverfahren knacken soll. Und bereits 2006 deckte dieselbe Zeitschrift auf, dass die amerikanische Telefongesellschaft AT&T der NSA einen direkten Zugang zu ihren Netzen gewährte. Wir wussten das alles schon vor Snowden, bloss dass wir es einfacher ignorieren konnten. Genau wie wir früher als Teenie das Tagebuch mit dem Schlüsselchen abgeschlossen haben, obwohl wir genau wussten, dass der grosse Bruder das Blechschloss mit einer Haarnadel aufkriegte. «Aber darf er ja nicht», dachten wir uns.
Jetzt wissen wir, dass er es tut. Und der grosse Bruder beteuert, dass er uns nur Gutes will. Er ist ja nur besorgt um uns. Er handelt in unserem Interesse, im Interesse der Öffentlichkeit, sagt er. Aber ob man das glauben kann? Da behalten die Meisten von uns mal schön alles für sich. «Bleib draussen, bleib mir vom Leib, dir geb ich nichts», rufen sie in die Welt hinaus und teilen hinter verschlossener Tür auf Facebook noch ein Selfie vom letzten Djerba-Urlaub. Verbunden sein mit der Welt und Privatsphäre geraten plötzlich in einen absurden Konfliktstrudel.
Das Theater hat immer ein Privatsphärenproblem. Es erklärt die persönlichen Anliegen der Machenden zum öffentlichen Interesse. Und das macht aus ihm per se einen politischen Akt. Wieviel die Akteur_innen von sich selber auf der Bühne zeigen, ist auch nur eine Frage ihrer künstlerischen ‹privacy settings›. Bei den vierzehn eingeladenen oder koproduzierten Produktionen geht es stets um das Individuum im Kontext eines Ganzen, darum, wer mit wem und wie verbunden ist. Dabei gehen sie entweder von persönlichen Situationen aus oder aber von ‹allem›, das sie monumental neu erzählen oder definieren. Mit dabei sind Künstler_innen aus Deutschland, Griechenland, Holland, Indien, den USA, Belgien, Australien, Grossbritannien, Finnland und der Schweiz.
Auch mit dem Festivalzentrum haben wir Monumentales vor. Wir gestalten uns unseren eigenen Mikrokosmos. Hier kommunizieren wir Face-to-Face und werden dabei garantiert höchstens von den Besucher_innen am Nebentisch abgehört. Hier betreiben wir Freundschaftspflege und knüpfen neue Verbindungen. Hier reissen wir Konventionen nieder und basteln uns unsere Welt. Seien Sie dabei – in Ihrem eigenen Interesse.
Wir freuen uns auf Sie und viele Seh- und andere Erlebnisse von privatem und öffentlichem Interesse an der 32. Edition von AUAWIRLEBEN!