2009

23. April–3. Mai 2009

blessed places - places blessées

Nichts scheint mehr so wie es einmal war, oder war nie, für was wir es hielten: Heimat, Familie, Arbeit, unser Glaube, unser Konto, alles was uns lieb und heilig war. Fest Geglaubtes bricht ein, fest Angelegtes bricht weg. Was bisher aus der sicheren Distanz unbeteiligter Indifferenz kritisch bis ironisch angezweifelt wurde, rückt in spürbare Nähe. Was hält uns noch, wenn die Koordinaten systematisch versagen, unsere Positionen und Positionierungen verschwimmen? Was lässt sich noch als Projektion unserer Identität eindeutig besetzen? Was ist noch «blessed», was ist längstens «blessé»? 

Nicht erst seit dem Clash des Heilsversprechens vom freien Markt und der ihn lenkenden «unsichtbaren Hand» ist das keine Ansichtssache oder Glaubensfrage mehr, sondern ein manifest wirksames Dilemma. Aus einer schnellen militärischen «Befreiung» wird eine lange lähmende Okkupation, aus interkulturellem Dialog ein neoliberaler multikultureller Imperativ, aus unschuldiger Kindheit haltlose Gewalt, aus Freundschaft eine numerische Facebook-Grösse, aus den Bewegungen der Geschäfts- und Finanzwelt miserable Raubkopien eines diskreditierten Hütchenspiels («Wir haben den rumänischen Hütchenspielern unrecht getan!» H. Schmidt). 

Blessed Places ? Places Blessées, der Code für die Ausgabe 2009 von AUAWIRLEBEN, fasst die gegenwärtigen gesellschaftlichen Umbrüche wie deren Spiegelung in den individuellen Biografien mit einem sprachlich vexierenden Begriff: die «Blessed Places» glauben noch an ihre Unverletzbarkeit, die «Places Blessées» zeigen die Wunden der Zerstörung. 

Wenn Blasen platzen, ist vielleicht auch wieder Platz für anderes? Taucht da etwa eine Möglichkeit für grundsätzliche Veränderungen auf? Am geschichtlichen Horizont und im individuellen Leben? Wo das Investmentgeschäft bang darauf schielt, wann endlich mal wieder «eine erfolgreiche Performance» hingelegt wird, da entwickelt Theater performativ eine Realität, die über gegenwärtige Zustandsbefindlichkeiten hinausweist. AUA 09 bringt den «rasenden Stillstand» in Bewegung, en gros und im Detail, sensibel, frech und schmerzlich, ex negativo und visionär, immer auf eine mögliche Zukunft bezogen, welche die Welt nicht aufteilt in Gewinner und Verlierer, in Blessed Places und Places Blessées.

Ihr AUA-Team

Auawirleben 2009